Dante: Wann MUSS ich Multicast nutzen?

Willkommen zum zweiten Teil zum Thema Dante Multicast! Nachdem wir im ersten Teil ("Wann sollte ich Multicast nutzen?”) noch die Wahl hatten, ob wir Multicast nutzen oder lieber bei Unicast bleiben, gibt es auch Situationen, in denen wir keine Wahl haben und sich Multicast geradezu aufzwingt.

Dante Multicast Button.PNG

Dies ist immer dann der Fall, wenn wir ausgangsseitig mehr Flows benötigen als das Gerät zur Verfügung stellt. Leider ist diese Information in den Marketing-Prospekten meist nur schwer oder gar nicht ersichtlich. Entsprechend ist die Überraschung groß, wenn man im Dante Controller auf seine Grenze hingewiesen wird. Glücklicherweise gibt es dank Multicast für viele Situationen einen Ausweg.

Bevor wir uns in die praktischen Beispiele stürzen, hier die entscheidende Tabelle mit der Anzahl der möglichen Flows. Diese hängt primär vom verwendeten Audinate Dante-Chip ab. Der Geräte-Hersteller hat also keinen direkten Einfluss auf die freigegebenen Flows, sondern wählt einen Dante-Chip aus, von dem er glaubt, dass er für sein Gerät passend ist.

Dante Chip Link max. Kanäle max. Flows min. Latenz
Ultimo 100 MBit/s 4 in / 4 out 2 in / 2 out 1 ms
Broadway 1 GBit/s 16 in / 16 out 16 in / 16 out 0.25 ms
Brooklyn II 1 GBit/s 64 in / 64 out 32 in / 32 out 0.25 ms
HC 1 GBit/s 512 in / 512 out 128 in / 128 out <1 ms

Schauen wir uns dazu zwei typische Beispiele an, wie sie in größeren Dante-Anlagen häufig vorkommen:

Beispiel 1: 2-Kanal-Adapter

Für mobile Zwecke haben sich auf der Bühne die kleinen Dante AVIO Adapter bewährt. Dank PoE sind sie ganz ohne Netzteil schnell einsatzbereit und liefern in der Regel sehr zuverlässig zwei Eingänge oder zwei Ausgänge, oder beides im Falle meines AVIO AES/EBU-Adapters*. Eine ähnliche Funktion findet sich mit etwas robusterem Gehäuse in diesem Neutrik Adapter*.

Die meisten dieser 2-kanaligen Dante-Adapter haben eine maximale Anzahl von nur zwei Ausgangs-Flows. Wenn man das Signal lediglich ins Mischpult routen möchte, wird man dieses Limit nie bemerken.

Wenn man solch einen Adapter jedoch einsetzen möchte, um ein Audio-Signal auf mehr als zwei Geräte zu verteilen, wird man im Dante Controller freundlich auf die Flow-Beschränkung hingewiesen: “No more flows (TX), transmitter cannot support any more flows”.

Diese Situation tritt beispielsweise auf, wenn man mit dem 2-Kanal-Adapter mehrere Dante-Lautsprecher oder Endstufen speisen möchte. Aber auch im normalen Bühnen-Einsatz wird die Grenze von 2 Flows erreicht, wenn das Signal parallel an das FOH-Mischpult, an das Monitor-Mischpult und vielleicht noch auf einen Recording-PC geroutet werden soll.

Dante Controller keine Flows verfügbar.JPG

Falls du dich jetzt fragst, wie viele Flows deine Geräte unterstützen, gibt es eine einfache Möglichkeit dies herauszufinden. Im Dante Controller werden auf der Transmit-Seite des Device View die aktuell belegten und auch die insgesamt möglichen Transmit-Flows angezeigt.

Bei mir werden dort aktuell zwei benutzte Unicast Flows angezeigt, da ich das Signal bereits auf zwei Geräte geroutet habe. Bei Total deutet die Anzeige “2 of 2” daraufhin, dass das Gerät maximal zwei Flows unterstützt und beide bereits ausgeschöpft sind und keine weiteren Flows mehr angelegt werden können.

Dante Controller Transmit Flows.jpg

Problemlösung: Multicast

Abhilfe schafft in einer solchen Situation das Anlegen eines Multicast-Flows, wie wir es im ersten Multicast-Teil bereits gesehen haben. Ein Klick auf den Multicast-Button, die beiden Kanäle selektieren, und mit einem Klick auf den “Create”-Button bestätigen und schon überträgt unser kleiner Dante-Adapter seine Kanäle als Multicast.

Bestehende Unicast-Routings für diese Kanäle werden automatisch auf Multicast umgestellt. Als Folge wird aus den beiden Unicast-Flows nun nur noch ein Multicast-Flow. Es ist somit möglich, weitere Dante-Empfänger mit diesem Signal zu speisen.

Dante Controller Transmit Flows Multicast.JPG

Beispiel 2: 64-kanalige DSP

Nicht nur bei den günstigen Dante-Konvertern können sich Grenzen ergeben. Auch bei den großen DSPs mit ihren vom Marketing versprochenen 64 Ein- und Ausgängen stößt man mitunter auf die Flow-Begrenzung. Und da fast alle DSPs mit dieser Kanalzahl auf den Brooklyn-II Dante-Chip zurückgreifen, haben sie diese Einschränkung alle gemeinsam: maximal 32 Flows.

In vielen Situationen kann man mit dieser Grenze gut leben. Die meisten Dante-Geräte benötigen ohnehin mehr als einen Audio-Kanal. Es ist beispielsweise möglich, dass man die 64 Ausgangskanäle vom DSP auf 32 Endstufen routet, also immer zwei Kanäle pro Flow wie es ja bei Stereo-Endstufen meist üblich ist.

Wenn man dagegen keine Mehrkanal-Endstufen benutzt, sondern Dante-Lautsprecher, geht der Plan nicht mehr auf. Mit Unicast-Flows benötigt jeder Lautsprecher seinen eigenen Flow. Und plötzlich hat ein DSP nur noch genügend Flows, um 32 Lautsprecher zu versorgen.

Dante DSP Brooklyn Unicast Flows.JPG

Die Nutzung von Multicast springt hier zunächst nicht direkt ins Auge, denn jeder Lautsprecher soll ja sein eigenes Signal bekommen. Schließlich haben wir uns einen DSP mit 64 Kanälen angeschafft, um jedem Lautsprecher sein individuelles Signal mischen und pegeln zu können.

Problemlösung: Multicast

Nichtsdestotrotz ist der Wechsel von Unicast zu Multicast hier zielführend. Durch die Kombination mehrerer Kanäle in einen Flow lässt sich die Anzahl der benötigten Flows reduzieren. Wenn wir lauter 4-kanalige Multicast-Flows anlegen, brauchen wir für unsere 64 Ausgangskanäle gerade mal 16 Flows, beziehungsweise 10 Flows für die 40 Lautsprecher im Beispiel.

Dante DSP Brooklyn Multicast Flows.JPG

Mit 64 Audiokanälen nähern wir uns allerdings bereits einer Bandbreite von 100 Mbit/s. Wenn wir dies als Multicast ins Netzwerk schicken, bekommt jeder Lautsprecher den gesamten Traffic zugeschickt. Viele Lautsprecher haben den Ultimo Dante-Chip eingebaut, weil sie eigentlich nur einen Dante-Kanal benötigen. Allerdings hat der Ultimo-Chip nur einen 100Mbit-Port. Damit keine Pakete verloren gehen, funktioniert eine derartige Multicast-Anwendung nur in Zusammenhang mit IGMP Snooping.

Hierbei lauschen die Switche die Datenpakete ab und versuchen zu ermitteln, welcher Empfänger die Multicast-Streams benötigt. Entsprechend werden die Pakete nicht mehr an alle Geräte verteilt, sondern nur noch an solche, die diesen Stream abonniert haben. Die Multicast-Belastung kann dadurch über 100MBit ansteigen, ohne dass der einzelne Lautsprecher überlastet wird.


Zugegeben kommt es nicht häufig vor, dass wir mehr als 32 Geräte an einen DSP anschließen. Aber falls doch, bist du jetzt darauf vorbereitet!


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