5 Dinge, die du über die Dante Virtual Soundcard wissen solltest
Wir alle nutzen sie, wir alle lieben sie: die Dante Virtual Soundcard (DVS)*. Es ist wirklich ein kleines Geschenk von Audinate, dass sie diese Software für 30 Dollar anbieten. 64 Eingangskanäle, 64 Ausgangskanäle, Unterstützung von PC und Mac, WDM und ASIO - was will man mehr.
Die nächste Stufe für eine solche Mehrkanal-Schnittstelle wäre eine PCIe-Karte wie diese von Focusrite* oder Marian*. Aber der Preissprung ist leider gewaltig, zumal beide Lösungen im Prinzip die gleichen (identischen) Audio-Daten in den PC hinein oder aus dem PC heraus befördern.
Bei mir ist die Dante Virtual Soundcard deshalb auf jedem meiner PCs installiert. Primär nutze ich sie als Schnittstelle zwischen meiner Einmess-Software zum Mikrofon-Interface bzw. zum Einspeisen in die jeweilige Tonanlage.
Aber auch im täglichen (Ton-)Alltag lässt sich damit sehr gut mal eben Musik in die Anlage einspielen, oder ein paar Kanäle mitschneiden, oder absichtlich 64 Kanäle Dante Multicast-Traffic erzeugen zum Testen des Netzwerks! Ich kann die DVS* also wärmstens empfehlen für die wenigen Euro und nutze sie selbst täglich.
Nichtsdestotrotz gibt es ein paar Punkte, die nicht ganz offensichtlich sind, wenn man sie noch nicht benutzt hat. Um dir auch die Schattenseiten aufzuzeigen und dir eine solide Entscheidung zu ermöglichen, hier meine fünf nicht so erfreulichen Punkte der DVS:
1) Keine Redundanz
Während sich im Dante Controller zwei Netzwerk-Karten konfigurieren lassen für das Primary und Secondary Netzwerk, gibt es in der Dante Virtual Soundcard eine solche Möglichkeit leider nicht. Je nach Einsatzzweck wird dich das nicht stören oder auch gar nicht auffallen. Denn mal eben ein bißchen Hintergrundmusik abzuspielen geht auch über eine Leitung. Und zum Spaß mal eben 64 Kanäle beim Konzert mitzuschneiden, um zu Hause etwas Material zu haben zum Mischen funktioniert auch wunderbar nur mit dem Primary Netzwerk.
Nicht ohne Grund haben alle professionellen Dante-Geräte allerdings zwei Netzwerk-Ports, um im Falle eines Netzwerk-Problems trotzdem unterbrechungsfrei eine Audio-Verbindung zu ermöglichen. Und diese Möglichkeit hat man mit der DVS leider nicht und kann sie auch nicht bei Bedarf hinzukaufen oder konfigurieren.
2) Ausgehende Flows haben keinen QoS / DSCP Tag
Es klingt sehr technisch und kaum relevant für den Alltag. Aber wenn du dich mit deinem Netzwerk bereits beschäftigt hast und einen Sicherheitsmechanismus wie Quality of Service (QoS) mit viel Liebe zum Detail in allen Switchen eingerichtet hast, dann ist diese Information vielleicht doch relevant für dich.
Dante-Geräte versehen ihre ausgehenden Pakete mit einem sogenannten DSCP-Tag bezüglich ihrer Wichtigkeit. Clock-Daten bekommen die höchste Priorität, Audio-Daten die zweithöchste. Im Falle eines Engpasses weiß der Switch, welche Daten er zuerst transportieren soll und welche Daten ggf. verschluckt werden können.
Da die Dante Virtual Soundcard nur ein Windows-Dienst ist, werden die Datenpakete an Windows übergeben. Und Windows besitzt die Hoheit über die Hardware und schickt die Daten weiter an die Netzwerkkarte. Ein QoS / DSCP Tag wird leider nicht angehängt wie sonst bei allen Dante-Geräten üblich.
Wenn es also im Netzwerk irgendwo zu Engpässen kommt, dann werden die Daten von richtigen Dante-Geräten bevorzugt, soweit QoS entsprechend auf allen Switchen eingerichtet ist. Daten von der DVS dagegen können vom Switch nicht als Audio-Daten erkannt werden und gehen im Zweifelsfall als erstes verloren.
Mit etwas Aufwand lässt sich der Traffic vom PC kommend in einem Managed Switch wie dem Cisco SG350* zwar modifizieren und die DSCP-Tags auf höhere Priorität setzen. Das ganze kann jedoch auch nach hinten losgehen, wenn dadurch aus Versehen auch unwichtige Datenpakete eine hohe Priorität bekommen.
3) Hohe Latenz
Der Quasi-Standard für die Latenz bei Dante-Verbindungen liegt bei 1ms. Das klingt noch nicht viel, aber ist trotzdem für einige Zwecke schon grenzwertig. Denn die Latenzen der einzelnen Verbindungen addieren sich, bis das Signal von der Schall-Quelle bis zum Endgerät bzw. bis zum Ohr gelangt. Vom Mikrofon-Vorverstärker zum Mischpult, zum DSP, zur Endstufe - bei jedem Schritt kommt allein für die Dante-Übertragung eine Latenz von meist 1ms hinzu. Und jedes Gerät braucht ohnehin nochmal etwas Zeit für die interne Verarbeitung.
Bei der Dante Virtual Soundcard ist die kleinste Latenz-Einstellung 4ms. Für einen Konzert-Mitschnitt ist das kein Problem. Und ich würde in solch einem Fall sogar zu 6ms oder gar 10ms raten um möglichst viel Puffer gegen Netzwerk-Probleme zu haben.
Problematisch werden die 4ms allerdings, wenn es um Live-Bearbeitung geht. Wenn ein Signal erst 4ms braucht zum PC, dann vermutlich einige ms für die Bearbeitung innerhalb der Software und dann nochmal 4ms zurück, liegen wir ganz locker bei 12ms Latenz und mehr. Und damit nähern wir uns der Grenze dessen, was für Live-Effekte noch vertretbar ist.
4) Keine VLAN/Trunk-Unterstützung
Sobald dein Netzwerk größer wird, wirst du vermutlich mehrere VLANs eingerichtet haben. Auch wenn die Endgeräte alle fein säuberlich getrennt in die VLANs aufgeteilt werden, gibt es meistens trotzdem einige Geräte, die in alle Netzwerke Zugriff bekommen sollen. Ein zentraler Steuer-PC oder Audio-PC beispielsweise wird auf alle Switches zugreifen wollen zur Kontrolle der Netzwerk-Einstellungen. Ebenso wird er ins Dante-Netzwerk müssen für den Dante Controller, und meist ist er auch noch im Steuer-Netzwerk, um die Video-Kreuzschiene oder die Kameras zu steuern.
Hierzu hat sich die Nutzung einer Trunk-Verbindung zwischen PC und einem Switch etabliert. Mit einem einzigen Kabel werden alle VLANs transportiert. Das spart Netzwerkkarten im PC und auch Ports am Switch.
Für den Dante Controller war es schon immer mühsam, dies einzurichten. Je nach Software-Version und je nach Netzwerk-Treiber hat es mal funktioniert und mal nicht. In der Regel wird man aber heutzutage einen Weg finden, um dies einzurichten. Und der Dante Controller bietet sogar die Unterstützung von Primary und Secondary Netzwerk, siehe Screenshot rechts.
Soweit die Theorie und die Wünsche. Die Dante Virtual Soundcard unterstützt (Stand heute) keine solche Trunk-Verbindung mit mehreren VLANs über ein Kabel.
Der Screenshot zeigt die Auswahl-Möglichkeit für das Network Interface am selben PC wie zuvor beim Dante Controller gezeigt.
Die entsprechenden virtuellen Schnittstellen, die im Dante Controller ausgewählt werden können, tauchen in der DVS gar nicht erst auf.
Man benötigt also zur Nutzung der DVS immer zwangsläufig eine getrennte Netzwerk-Schnittstelle ins Dante-Netzwerk. Wenn man die serienmäßige Netzwerkkarte bereits belegt hat für den Zugriff auf das Steuer-Netzwerk oder über den beschriebenen Trunk, dann braucht man eine zusätzliche kleine PCI-Netzwerkkarte oder einen USB-Netzwerk-Adapter*.
5) Kein Verlass auf die Rx-Bandbreite im Dante Controller
Wenn du gelegentlich deinen Netzwerk-Traffic im Auge behältst und dazu die Bandbreite im Dante Controller kontrollierst, zeigt dies normalerweise die tatsächliche Belastung jedes Geräts beziehungsweise jedes Netzwerk-Ports. Wenn ein Port mehr als 70% seiner Bandbreite belegt hat, ändert sich die Farbe auf gelb, und irgendwann auch auf rot.
Dies ist wichtig zu beachten, wenn man ein neues Netzwerk bzw. einen neuen Signalfluss aufbaut, damit kein Gerät in seinem Grenzbereich arbeitet. Bereits ab 70% Auslastung sieht man eine negative Auswirkung beispielsweise auf die Stabilität der Clock jedes Empfängers. Und spätestens wenn Datenpakete verschluckt werden, ist der Effekt auch hörbar in Form von Aussetzern.
Bei der Dante Virtual Soundcard wird an der entsprechenden Stelle im Dante Controller leider manchmal nicht die tatsächliche Belastung des Ports, also der PC-Netzwerkkarte, genannt, sondern nur die aktiven Dante-Flows.
Wie so etwas in der Praxis aussieht, zeigt der folgende Screenshot:
Mein Mikrofon-Interface schickt 32 Kanäle an Multicast-Traffic ins Netzwerk. IGMP-Snooping habe ich für diesen Test abgeschaltet, so dass die Datenrate von rund 55 Mbit/s eigentlich auf allen Empfangsports der übrigen Geräte anliegen sollte. Und man sieht in der Port-Auslastung am Switch (im Screenshot links), dass alle drei Ports mit angeschlossenen DVS eine “TX Utilization” von 5% zeigen (5% von 1000Mbps = 50 Mbps).
Bei zwei DVS wird die Empfangsrate korrekt mit 54 Mbps angezeigt. Bei einer der DVS hingegen wird eine Empfangs-Datenrate von <1Mbps angezeigt (rot markiert). Kein Beinbruch, aber man muss immer im Hinterkopf behalten, dass man sich auf die Werte der DVS nicht verlassen kann.
Gelegentlich Probleme mit IGMP Snooping
Weil es so selten vorkommt und ich es noch nicht geschafft habe, diesees Problem exakt zu reproduzieren, reicht es noch nicht für einen 6. Punkt in meiner Liste. Aber ich möchte trotzdem den Hinweis geben, dass die Dante Virtual Soundcard gelegentlich Probleme macht im Zusammenhang mit IGMP Snooping. Ist diese Funktion auf den Switchen aktiviert, werden die Multicast-Pakete nur noch dann zu einem Gerät geschickt, wenn dieses explizit nach dem entsprechenden Multicast-Flow fragt. Meist funktioniert es auch mit der DVS, aber je nach Konstellation (insbesondere mit Auto-IP) kann die Kommunikation zwischen der DVS und dem IGMP Querier fehlschlagen. Im Dante Controller erscheint dann beim Setzen eines Koppelpunkts die Meldung “No Audio”.
Es hilft in diesem Falle, dass man den Port, an dem der DVS-PC angeschlossen ist, manuell auf “Forward All” schaltet. Der Screenshot rechts zeigt die entsprechende Seite an einem Cisco SG350*.
Der Switch wartet dann nicht auf eine IGMP Nachricht, sondern schickt an diesem Port permanent sämtlichen Multicast-Traffic heraus. Ganz so, als wäre IGMP Snooping abgeschaltet, aber eben nur für den einen Port.
Das kleine Problem der fehlenden Multicast-Datenpakete ist damit behoben.
Aber es entsteht natürlich ein neues Problem, nämlich die erhöhte Datenrate für den PC. Vor dem Aktivieren von “Forward All” sollte man immer kontrollieren, wie hoch der Multicast-Traffic im Netzwerk ist. “Forward All” ist nur zielführend, wenn die Summe aus Multicast-Traffic und ggf. zusätzlichem Unicast-Traffic zur DVS kleiner ist als die maximale Datenrate der Netzwerkkarte.
Fazit
Wie eingangs erwähnt halte ich die Dante Virtual Soundcard für eine tolle und vor allem erschwingliche Bereicherung für ein Dante-Netzwerk. Ein paar kleine Einschränkungen muss man natürlich in Kauf nehmen.
Insbesondere die beiden erst genannten Punkte (keine Redundanz, keine DHCP-Tags) schränken die Nutzung im professionellen Umfeld etwas ein. Das Einspielen von vorstellungsrelevanter Musik oder Geräuschen beispielsweise im Theater oder in der Oper, würde ich über eine DVS nicht empfehlen.
Das gleiche Problem sehe ich bei einem professionellen Konzert-Mitschnitt. Es ist schwierig der Band klar zu machen, warum der ein oder andere Song vom Konzert nicht für die Bluray-Veröffentlichung genommen werden kann, wenn die Mehrspur-Aufnahme einige Tonaussetzer hat. Während man im Tonstudio notfalls sicher nochmal einen Take dranhängt, ist ein Live-Konzert nicht reproduzierbar.
Für diese Zwecke lohnt sich die Investition in eine Dante PCIe-Karte, wie es sie beispielsweise von Focusrite* oder Marian* gibt. Sie haben all die oben genannten Nachteile nicht, weil sie einen vollwertigen Dante-Chip verwenden.
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