6 Vorteile von statischen IP-Adressen

Einer der ersten Schritte beim Einrichten eines Dante-Netzwerks ist die Vergabe von IP-Adressen für jedes Gerät, oder die Entscheidung für den “Automatik-Modus”.

Ein paar Vorüberlegungen sind grundsätzlich notwendig, denn jedes Gerät in einem Netzwerk muss im selben Adress-Bereich liegen, damit die Kommunikation untereinander funktioniert. Und zum zweiten darf jede Adresse nur einmal vergeben werden.

Falls du dich bisher um IP-Adressen noch nie gekümmert hast, ist der Automatik-Modus sicherlich sehr verlockend. Und wenn es sich nur um ein paar wenige Dante-Geräte handelt, nur ein einziges Netzwerk, vermutlich alles an einem Switch, dann spricht auch überhaupt nichts dagegen. Denn: es funktioniert, und zwar ohne große Vorkenntnisse und lange Konfigurationseinstellungen!

Bei größeren Audio-Anlagen sehe ich dennoch einige Vorteile bei der Nutzung von statischen IP-Adressen. Damit du meiner Argumentation folgen kannst, vielleicht kurz zwei Sätze zum Automatik-Modus.

Der Automatik-Modus

Wird einem Gerät keine IP-Adresse fest zugewiesen, wird es zunächst versuchen, sich eine IP-Adresse von einem DHCP-Server zuweisen zu lassen. Bei unseren Smartphones können wir dies täglich beobachten, wenn wir uns in einem fremden WLAN einwählen. Innerhalb von Sekunden bekommen wir eine IP-Adresse mitsamt Subnetzmaske und Gateway automatisch zugewiesen.

Falls kein DHCP-Server auf die Anfrage antwortet, sucht sich unser Gerät eine zufällige Adresse im Link Local-Bereich (169.254.x.x), auch ZeroConf-Bereich genannt. Es prüft, ob irgendein anderes Gerät bereits unter dieser Adresse erreichbar ist, und falls nicht, weist sich das Gerät diese Adresse zu.

An jede der beiden x-Stellen in 169.254.x.x können jeweils 255 verschiedene Zahlen verwendet werden. Der gesamte Link-Local-Bereich umfasst also etwa 255*255, also über 65000 Adressen.

Vorteile von statischen IP-Adressen

Wenn du nichts dem Zufall überlassen willst, kannst du die IP-Adresse für jedes Gerät manuell konfigurieren. Und gegenüber dem beschriebenen Auto-IP-Verfahren sehe ich hier bei größeren Dante-Systemen durchaus ein paar Vorteile:

1) Sortierbare Device-Liste im Dante Controller

Ja, es klingt so banal und kann doch das Leben sehr erleichtern! Die Adressen, die sich die Netzwerk-Teilnehmer selbst zuweisen, sind zufällig verteilt im Bereich 169.254.x.x. D.h. die Reihenfolge ist völlig willkürlich und eine Sortierung bringt keinen Mehrwert.

Wenn du die Adressen manuell vergibst, kannst du die Reihenfolge selbst bestimmen. Und wenn du die Adressen fortlaufend verwendest, merkt sogar dein Praktikant, wenn in der Geräte-Liste irgendwo eine Nummer fehlt.

Dante-Controller-Statische-IP-Adresse-sortiert.PNG

Eine durchgehende Nummerierung kann man zwar auch über den Device Name herstellen, beispielsweise Amp 01, Amp 02,.. Amp 10. Aber meist befinden sich viele unterschiedliche Geräte in einem Dante-Netzwerk, die jeweils auch einen möglichst eindeutigen Namen gemäß ihrer Funktion bekommen sollten. Die Nutzung der IP-Adresse, um sich die Sortierung nach eigenen Wünschen herzustellen, halte ich für den charmanteren Ansatz.

2) Netzwerk-IP-Scanner

Der Dante Controller bietet schon eine gute Übersicht über die Dante-Geräte. Aber zum einen gibt es mitunter auch Nicht-Dante-Geräte wie Steuer-PCs und Switche im Netzwerk, zum anderen haben manche Dante-Geräte eine zweite IP-Adresse für deren Steuerung.

Mit Hilfe von einem Netzwerk-IP-Scanner lässt sich recht schnell ein Überblick verschaffen über den genutzten Adress-Bereich. Dort tauchen dann wirklich alle Geräte auf, die aktuell eine Adresse verwenden, Dante- wie Nicht-Dante-Geräte.

Dante-Netzwerk-Scan-statische-IP-Adresse.PNG

Clevere Tools schlagen anhand der MAC-Adresse automatisch den Hersteller nach, so dass man auf einen Blick sieht, ob es ein Dante-Chip von Audinate, ein Switch von Cisco, oder ein kleiner USB-Netzwerk-Adapter* von TP-Link, wie ich ihn an meinem PC für Dante verwende. Das ist nicht nur für die Dokumentation nützlich, um den aktuellen Stand festzuhalten, sondern auch um herauszufinden, ob Geräte fehlen, oder ob fremde Geräte auftauchen, die dort eigentlich nicht hingehören. Und bei Windows-PCs taucht meist sogar der Name auf. Der ganze Scan dauert für die übliche Netzwerkgröße (mit Subnetzmaske 255.255.255.0, also 255 Hosts) gerade mal eine Minute.

Nun ist ein Scan natürlich auch für den Link-Local-Bereich möglich. Dieser Bereich mit seinen 65000 Hosts ist nur leider sehr viel größer. Wenn wir die 1 Minute pro 255 Hosts hochrechnen auf 65000 Hosts, würde der Scan über 4 Stunden dauern. “Mal eben” einen IP-Scan durchführen fällt in Zusammenhang mit Auto-IP leider aus.

3) Merkbare IP-Adressen für Web-Oberfläche

Wenn du bereits ein Mikrofon-Preamp mit Dante besitzt, wirst du die Situation kennen: zum Einstellen der Vorverstärkung und der Phantomspeisung muss man die Web-UI in einem Webbrowser öffnen. Bedienelemente an den Geräten werden immer seltener.

Auch EQs und Pegel von Verstärkern lassen sich oft bequem über einen Browser ändern, ohne dass man die Spezial-Software installieren muss.

Dante-Webui-Mikrofon-Phantompower.PNG

Wenn ich dich bitte, dir die zwei IP-Adressen 192.168.10.10 und 169.254.138.216 zu merken, welche wirst du mir in einer Minute noch sagen können? ;)

Bei der ersten hast du es selbst in der Hand, ein Subnetz und die letzte Ziffer zu vergeben für diejenigen Geräte, die du häufig brauchst. Und da alle Dante-Geräte in einem Subnetz sind, musst du dir eigentlich nur noch die letzte Ziffer merken. Bei Link-Local-Adressen hast du leider keine Kontrolle, und entsprechend schlecht zu merken sind die Adressen.

Wenn man immer am gleichen PC arbeitet, kann man sich in seinem Browser ein Lesezeichen anlegen für die wichtigsten Geräte. Aber nicht selten muss man auf der Bühne mal eben mit irgendeinem greifbaren Laptop oder iPad eine kleine Änderung vornehmen. Wenn du die Adresse dann auswendig weißt, kommst du frustfrei ans Ziel.

4) Dante-Controller erlaubt nur eine IP-Adresse

Wenn du bei Punkt 3) auf die Idee gekommen bist, dass man Dante- und Steuerungs-IP-Adressen trennt, d.h. Dante im automatischen Link-Local-Bereich zu belassen und die Steuerungs-Adressen in einem 192.168.x.x. Bereich zu vergeben: schön, dass du mitdenkst - die Idee ist nicht schlecht!

Leider gibt es zwei kleine Hürden, die dies wenig praktikabel machen. Einige Dante-Geräte verwenden nur eine einzige Adresse für den Dante- und den Web-UI-Teil. Eine klare Trennung ist also nicht immer möglich. Allenfalls die Switche könnte man eindeutig in den 192.168.x.x. Bereich festlegen.

Das größere Problem ist der Dante-Controller. Jeder, der schon einmal versucht hat seinem PC mehrere IP-Adressen gleichzeitig zu vergeben (also beispielsweise einmal 192.168.x.x und einmal eine erfundene 169.254.x.x), der wird diese Fehlermeldung kennen:

Dante-Controller-Fehlermeldung-mehrere-IP-Adressen.PNG

Und diese Fehlermeldung bedeutet leider, dass der Dante-Controller danach gar nichts mehr anzeigt, weder die Geräte im einen noch im anderen Netzwerk-Bereich.

Schön wäre eine Auswahl-Möglichkeit, um sich für eine der möglichen IP-Adressen zu entscheiden. Aber - Stand heute - bleibt einem zur Nutzung des Dante-Controllers der einzige Weg, dass man die IP-Adresse seines Rechners jedes Mal ändern muss, wenn man im anderen Adress-Bereich tätig werden will. Keine angenehme Lösung wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Wenn es wirklich sein muss mit zwei Adress-Bereichen in einem VLAN, hilft (mal wieder) ein kleiner USB-Netzwerk-Adapter* für 10 EUR. Damit hat man dann zwei getrennte Netzwerk-Ports und der Dante-Controller ist glücklich.

Um dem ganzen Chaos entgegen zu wirken meine Empfehlung: entweder alle Geräte im automatischen Link-Local-Bereich belassen, oder allen Geräten eine statische IP-Adresse vergeben.

5) Sabotage-sicher gegen versehentlichen DHCP-Server

Die Suche nach einem DHCP-Server endet bei Geräten im Auto-IP-Modus nicht nach dem Boot-Vorgang. Selbst wenn ein Dante-Netzwerk ein Jahr lang stabil im Link-Local-Adressbereich arbeitet, sobald man einen DHCP-Server ans Netzwerk anschließt, wird er allen Geräten eine neue IP-Adresse zuweisen.

Vermutlich wird die Audio-Übertragung auch mit neuen IP-Adressen weiterspielen und niemand wird den Vorgang bemerken. Und selbst wenn der DHCP-Server nach einer Minute wieder vom Netzwerk getrennt oder deaktiviert wird, behalten die Geräte ihre neue Adresse und alles spielt weiter. Lediglich die Lesezeichen in deinem Browser für die Web-Oberfläche deiner Mikrofon-Preamps werden nicht mehr funktionieren.

Unangenehm wird das ganze aber sobald man nun ein neues Gerät hinzufügt, das sich aufgrund des nun fehlenden DHCP-Servers wieder eine Adresse im Link-Local-Bereich vergibt. Dieses Gerät - vielleicht dein mobiler Laptop oder ein mobiles Dante-Interface - wird sich dann nicht mehr mit den übrigen Geräten verbinden können. Gleiches gilt, wenn einige Geräte Dauerstrom haben und einige Gerät über Nacht ausgeschaltet werden.

Die Überraschung kommt also erst sehr viel später. Und entsprechend schwierig ist es, sich überhaupt daran zu erinnern, was das ganze wann ausgelöst haben könnte.

Die meisten Switche haben heutzutage einen DHCP-Server eingebaut. Gerade wenn man im Rahmen eines Gastspiels fremde Ton-Kollegen mit ihrem Equipment an die eigene Anlage verbindet, besteht die Gefahr, dass sie von ihrem vorigen Auftritt vielleicht einen DHCP-Server gebraucht haben. Selbst wenn sie dies direkt merken und ihn abschalten, nach 5 Sekunden ist das Haus-Dante-Netzwerk bereits auf den Adressbereich des fremden DHCP-Servers verstellt.

Einziger Ausweg in solch einer Situation ist - nach dem Abschalten des DHCP-Servers - das Neustarten sämtlicher Geräte.

Zugegebenermaßen tritt solch ein Szenario nur selten auf. Aber die Chance besteht, gerade wenn immer mehr Gastspiel-Crews oder auch Recording-Teams und Ü-Wagen mit Dante-Schnittstellen ausgestattet sind. Mit statischen IP-Adressen besteht dieses Risiko nicht.

6) Ausfallsicher

Nun bleibt noch ein Weg offen, um die meisten Vorteile von statischen d.h. sortierten und übersichtlichen IP-Adressen zu nutzen: ein eigener DHCP-Server für das Dante-Netzwerk. Und ja, dann hätte man ausschließlich Adressen im 192.168.x.x Bereich, und diese wären auch schön zusammenhängend, denn der DHCP-Server vergibt die Adressen in der Regel aufsteigend. Wenn man nichts weiter konfiguriert werden die Adressen allerdings in der Reihenfolge vergeben, wie man die Geräte einschaltet. Nicht immer bekommt man also beispielsweise alle Verstärker schön nacheinander aufgelistet. Und selbst wenn man die Gültigkeit der Adressen auf mehrere Tage einstellt, ist die Gefahr trotzdem gegeben, dass sich die Adressen untereinander ändern und etwa die Lesezeichen im Browser nicht mehr funktionieren. Alles irgendwie umständlich.

Das Hauptargument gegen die Nutzung eines DHCP-Servers sehe ich allerdings in der Ausfallsicherheit. Irgendwann hat jedes Gerät mal einen schwachen Tag und arbeitet nicht so wie vorgesehen. Wenn dadurch dein Dante-System nicht mehr richtig arbeitet, ist das ein ernstes Problem für den Betriebsablauf.

Für fest eingebaute Geräte wie ein Mischpult, eine Audio-DSP oder auch die Verstärker würde ich immer eine feste IP-Adresse vergeben. Die Nutzung eines DHCP-Servers mag komfortabel klingen, aber für feste Geräte wäre es mir das Risiko nicht wert. Man muss die Adressen ja nur einmal einstellen in 5 Jahren und kann sich dann darauf verlassen, dass zumindest diese festen Geräte immer funktionieren werden.

Lediglich für mobile Geräte bzw. Gäste sehe ich die Nutzung eines DHCP-Servers im Dante-Netzwerk als Bereicherung an. Denn genau wie beim Smartphone muss man sich nur einstecken und kann sofort loslegen ohne die lästige Frage nach einer freien IP-Adresse. Und falls der DHCP-Server tatsächlich einmal ausfällt und das Gerät bekommt beim Booten keine automatische IP, kann man für das eine Gerät dann auch schnell eine feste IP vergeben.


Noch ein kleiner Hinweis, falls du bislang noch nie statische Adressen bei Dante-Geräten vergeben hast: sobald du die Adresse änderst und dein Gerät neu startest, hast du zunächst keine Verbindung mehr von deinem Dante-Controller aus. Erst wenn du deinem PC auch eine IP im entsprechenden Adressbereich vergibst, hast du wieder Zugriff und kannst ggf. wieder zurückkehren zum Auto-IP-Modus.

Soweit meine Erfahrungen und Empfehlungen zum Thema Statische vs Automatische IP-Adresse! Ich hoffe, du konnte dir ein paar gute Argumente liefern, warum sich die Vergabe von statischen IP-Adressen durchaus lohnen kann!

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