Vorher/Nachher-Vergleich Breitband-Absorber (Teil 1)

Als aller erstes möchte ich Dir ein großes Lob aussprechen und Dich beglückwünschen, dass Du Dich überhaupt mit Dingen wie Absorbern und Raumakustik beschäftigst! Die meisten audiophilen Klang-Liebhaber haben zwar schon mal einen Blick auf den Frequenzgang ihrer Lautsprecher geworfen. Aber oftmals fehlt das Wissen, dass der Schall, der an unserem Ohr ankommt, nicht nur aus Direktschall vom Lautsprecher besteht. Da wir in der Regel in einem geschlossenen Raum Musik konsumieren, tragen die umliegenden Wände mit ihren Reflexionen in großem Maße zum Klang bei.

Wohnung Absorber Lautsprecher Genelec.jpg

Wenn Du mich aus anderen Blog-Artikeln bereits etwas kennst, weißt Du bereits, dass ich kein Freund von rein subjektiven Aussagen bin. Ich liebe mein Mess-Equipment, weil ich damit die Schwankungen in meinem Urteilsvermögen eleminieren kann. Und es hilft mir zu verstehen, warum eine Maßnahme gut oder schlecht klingt.

Und um dem ganzen noch das i-Tüpfelchen zu verpassen, habe ich die Lautsprecher und die Mikrofone zu 100% unverändert gelassen. Lediglich die Absorber habe ich komplett aus dem Raum entfernt. Dadurch sind die Unterschiede in den Mess-Diagrammen tatsächlich zu 100% auf die Absorber zu schieben und resultieren nicht aus einer Änderung der Lautsprecher- oder Mikrofon-Position. Clever, oder?! 😁 Aber schau selbst, um einen Eindruck zu bekommen, was tatsächlich Vorher/Nachher im Raum war:

Unterschied wie Tag und Nacht 

Bevor ich Dir die objektiven Messungen zeige, lass mich Dir als kleine Motivation zum Weiterlesen und Ausprobieren sagen, dass der Unterschied zwischen dem leeren Wohnzimmer und den inzwischen 12 gebauten Absorbern gigantisch ist. Und das in jeglicher Hinsicht. Der Frequenzgang ist deutlich geglättet, kein störendes Nachklingen einzelner Frequenzen mehr, der Nachhall insgesamt ist deutlich kürzer. Letztlich kommt sehr viel mehr von der Musik beim Ohr an und es wird weniger durch den Raum geändert oder hinzugefügt. Wenn es Dir um puren Musikgenuss geht und Du möglichst viele Details von Deinen Aufnahmen hören möchtest, dann dürften Absorber auch für Deinen Raum das Mittel der Wahl sein.

Meine Absorber

In einem anderen Blog-Artikel hatte ich bereits detailliert beschrieben, wie ich die Absorber gebaut habe. Hauptbestandteil ist Steinwolle mit einer Dichte von 50kg pro m³. Ich habe mich für eine Größe von jeweils 120 x 60 x 20cm entschieden, weil dies von mir alleine bequem tragbar ist. Zum einen wußte ich ja schon, dass ich sicherlich noch öfter umbauen möchte – alleine schon, um gelegentlich Messungen durchzuführen. Zum anderen steht sicherlich irgendwann ein Umzug an. Mit solchen kleinen Absorber-Einheiten ist der Transport sehr einfach und man kann vor allem am nächsten Ort ggf. eine andere Anordnung wählen.

Jochen Breitband Absorber Wohnzimmer.jpg

Mein verwendetes Mess-Equipment

Auch wenn ich heutzutage für die meisten Jobs mit Smaart von Rational Acoustics arbeite, habe ich für diesen Test die Software Easera von AFMG verwendet. Die Mess-Ergebnisse sind bei beiden sehr ähnlich, aber bei Easera gefiel mir die Darstellung besser mit der Möglichkeit, gleichzeitig mehrere Kurven in ein Diagramm einzuzeichnen. Da es uns ja insbesondere um die Unterschiede zwischen den beiden Situationen geht, schien mir dies vorteilhaft.

Als Mess-Mikrofone kamen 5 Stück meiner iSEMcon EMX-7150 zum Einsatz, eingebunden über mein 8-Kanal-Dante-Interface Salzbrenner NIO Xcel 1201.

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Verbesserung des Frequenzgangs

Fangen wir mit dem größten Problem an, wie wir es in kleinen Räumen wie Wohnzimmern und Tonstudios vorfinden. Aufgrund von Raummoden wird aus dem geraden Frequenzgang im Hochglanzprospekt ganz schnell eine Berg- und Talfahrt, insbesondere im Bereich unter 200Hz. Auslöschungen von 10dB und mehr sind nicht selten. Je nach Musik fällt dies gar nicht so schwer ins Gewicht. Bei akustischer Musik mit Kontrabässen, die alle Töne unserer Tonleiter nutzen (also insbesondere klassische Musik und Jazz) ist es jedoch sehr nervend, wenn die einzelnen Töne unterschiedlich laut klingen.

Kommen wir zum ersten Mess-Diagramm: dem Frequenzgang des linken Lautsprechers. Es handelt sich übrigens um Kali Audio LP-6 (Thomann*) und Genelec 7350 (Thomann*) Subwoofer. Die Phase am Subwoofer wurde angepasst für eine möglichst große Addition im Übergangsbereich bei 90 Hz. Bei dieser Gegenüberstellung geht es nicht um den Anspruch, einen perfekten Frequenzgang zu sehen, sondern in erster Linie darum, den Unterschied zu veranschaulichen, den Absorber aus Mineralwolle auf den Frequenzgang haben können.

Frequency Response Comparison Empty 12 Absorbers.PNG

3 Unterschiede sind auffällig:

  1. Der Gesamt-Pegel liegt im leeren Raum fast 2 dB über der Situation mit Absorbern. Die rote Kurve zeigt also für mittlere und hohe Frequenzen fast nur noch den Direktschall, während bei der blauen Kurve auch die vielen Reflexionen und der Nachhall Einfluss hat.

  2. Während die Unebenheiten im Hochtonbereich bei beiden Kurven annähernd gleich sind (und somit mein mündliches Versprechen belegen, dass absolut gleich gemessen wurde und nichts geändert wurde), sieht der Bassbereich aus, als wenn er stark geglättet worden wäre. Allerdings kommt die Glättung hier nicht per Software, sondern tatsächlich von den Absorbern. Das Auf- und Ab, das wir aufgrund von Reflexionen und Raummoden im leeren Raum beobachten, wurde durch die Absorber an vielen Stellen geebnet. Letztlich war dies ja genau der Zweck, den ich mit den Absorbern erreichen wollte. Große Freude macht mir bei diesem Diagramm die Beobachtung, dass auch bei 50Hz noch eine große Veränderung auftritt! Auch mit 20cm Absorber-Tiefe lässt sich also im Subwoofer-Bereich eine Verbesserung erzielen!

  3. Es gibt scheinbar nicht nur Verbesserungen. An einigen Stellen sind nun kleine Auslöschungen sichtbar, die vorher nicht vorhanden waren.
    Im mittleren und hohen Frequenzbereich hatten wir im leeren Raum ein halbwegs diffuses Schallfeld. Die Auslöschung aus der einen Wandreflexion wurde somit von der Erhöhung aus der anderen Wandreflexion ausgeglichen. Wenn wir nun zwei Wände behandeln (die Wand hinter den Lautsprechern und die Rückwand), dann fallen hier etliche Reflexionen komplett weg. Die Reflexion von der Decke und vom Fußboden bleiben jedoch bestehen. Und deren Auswirkungen machen sich nun umso mehr bemerkbar, als sie nicht von anderen Reflexionen ausgeglichen werden. Nächster großer Schritt ist also die Erarbeitung einer Möglichkeit zur Befestigung von Decken-Absorbern!

Nun wirst Du aber über einen Punkt im Frequenzgang stutzig werden: Es ändert sich zwar etwas bei 50Hz, aber die Auslöschung bei 58Hz bleibt unverändert. Ja, absolut richtig erkannt!

Zwei Möglichkeiten kann diese Auslöschung nun haben: entweder eine Raummode zwischen Decke und Fußboden [kleiner Ausflug in die Physik: Frequenz 1. Mode = Schallgeschwindigkeit / 2 x Wellenlänge, somit f = 340m/s / 2,75m / 2 = 61,8 Hz]. Oder es ist die Decken-Reflexion [Differenz zwischen Reflexion und Direktschall ist grob: 4,50m - 1,50m = 3,00m. Erste Auslöschung somit bei f= 340m/s / 3,00m / 2 = 56,6Hz.] Aufgrund der Beobachtung, dass sich die Frequenz leicht verschiebt beim Bewegen des Mikrofons, scheint die Auslöschung von der Decken-Reflexion und nicht von einer Mode zu kommen.

Da ich meine 12 Absorber in dieser ersten Phase lediglich an die Lautsprecher-Wand und an die Rückwand gestellt habe, ist die Decken-Reflexion noch unbehandelt. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass ich mit dem gleichen Absorber-Typ auch dieses Problem eleminieren kann, wenn ich an der Decke entsprechend eine Möglichkeit schaffe zur Positionierung von Absorbern.

Reduzierung des Nachhalls

Dieser Punkt ist vielleicht selbstverständlich. Natürlich gibt es in einem leeren Raum einigen Nachhall. Und beim Hinzufügen von Absorbern wird dieser verkürzt. Soweit nichts Neues. Warum ist dieser Punkt aber nun für unsere Klangqualität so wichtig?

Man sieht immer wieder, dass Leute ihre Räume mit dünnen Schaumstoffmatten tapezieren. Das hat dann zwar in gewissen Frequenzbereichen Auswirkungen auf die Nachhallzeit, aber eben nur für hohe Frequenzen. Tiefe Frequenzen sind von 2cm offenem Schaumstoff unbeeindruckt. Und als Ergebnis bekommen wir dann eine Raumakustik, die alles andere als natürlich ist und leider nicht viel Freude für die Wiedergabe von Musik gibt. Die Höhen sind völlig überdämpft und die Bässe und ein Teil der Mitten macht weiterhin Probleme im Frequenzgang und hat eine lange Nachhallzeit. 

Es wird also höchste Zeit zu prüfen, wie sich mein 20cm Absorber schlägt in dieser Disziplin.

Nur am Rande: Selbst für die Aufnahme von Sprache für YouTube-Videos o.ä. würde ich persönlich lieber zu 5cm Steinwolle greifen statt zu diesen leichten Akustik-Matten. Denn auch wenn wir die Absorption nicht bei 50Hz brauchen, so aber im Bereich 200-2000Hz, und nicht nur bei 5kHz.

ReverbTime Comparison Empty 12 Absorbers.PNG

Zunächst ein Wort zum Verfahren: normalerweise benutzt man zur Messung der Nachhallzeit (T30) einen omnidirektionalen Lautsprecher (meist Dedokaeder), der Schall gleichmäßig in alle Richtungen abstrahlt. In meinem Fall habe ich einfach meine normalen Lautsprecher verwendet. Die ermittelten Zeiten sind also absolut gesehen nicht ganz korrekt. Dennoch sind die Unterschiede zwischen leerem und vollem Raum so groß, dass wir für unsere Zwecke alles ablesen können, was für uns wichtig ist.

Wie erwähnt besteht bei Absorbern immer die Gefahr, dass wir einen Raum in den Höhen überdämpfen und in den Bässen wenig Positives beitragen. Es hat mich sehr glücklich gemacht, als ich nun dieses Messergebnis sehen konnte. Die Reduzierung der Nachhallzeit von über 0.9s auf etwa 0.6s geht in die richtige Richtung, zumal ja bislang nur zwei Wände behandelt wurden. Mit weiteren Absorbern an der Decke im Bereich der ersten Lautsprecher-Reflexion wird sich dies sogar noch ein wenig verkürzen.

Wirklich begeistert bin ich aber von der Gleichmäßigkeit dieser Nachhall-Reduzierung. Easera errechnet die Nachhallzeiten bis hinunter zu 100Hz. Und bis dorthin wirkt der Absorber in jedem Falle. Es ist nicht erkennbar, dass die Wirkung bei 100Hz irgendwie nachzulassen beginnt. Somit deckt sich dies mit der Beobachtung am Frequenzgang, wo wir ja selbst bei 50Hz noch eine gute Veränderung sehen konnten.

Raummoden-Betrachtung mit REW

[Nachtrag 22.3.2020]
Nachdem ich mich in die Software REW (Room EQ Wizard) eingearbeitet habe, möchte ich noch das Spectogram dieser Messungen nachreichen, links ohne Absorber, rechts mit den 12 Absorbern im Raum.

REW Spectogram Empty L Mic2.jpg
REW Spectogram 12 Absorber L Mic2.jpg

Das lange Nachschwingen bei 22Hz, 50Hz und 58Hz ist auch mit den Absorbern geblieben. Hier gibt es noch Optimierungsbedarf mit weiteren Absorbern an der Decke und in Querrichtung. Alle übrigen Unregelmäßigkeiten oberhalb von 60Hz sind aber merklich abgeschwächt. Letztlich bewirkt das hier ersichtliche Abschwächen der Raummoden die zuvor bemerkte Glättung im Frequenzgang.

Mein Fazit:

alles richtig gemacht bislang! Die 20cm Absorber-Tiefe scheinen gut zu passen. Als nächstes geht es nun an die Konstruktion des Deckensegels.

Und falls Du in deinem Wohnzimmer oder Deinem Tonstudio bislang lediglich gute Lautsprecher besitzt, aber Dir über Akustik-Module noch keinen Kopf gemacht hast, kann ich Dir ab heute die Verwendung von Absorbern mit Steinwolle wärmstens ans Herz legen!

Blog-Artikel: Bau eines Breitband-Absorbers

Blog-Artikel: Bau eines Decken-Segels

Blog-Artikel: Raum-Moden messen mit REW


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Jochen Schulz